Alpha-Linolensäure – wichtig wie nie

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Die positiven Effekte der Alpha-Linolensäure (ALA) für die Gesundheit werden seit längerem diskutiert. Und erstmals wird in den neuen D-A-CH Referenzwerten auch für die Bundesrepublik empfohlen, die Alpha-Linolensäure-Zufuhr mit der Nahrung zu steigern. Weil Rapsöl zu den wenigen Nahrungsfetten gehört, über die wir uns mit Alpha-Linolensäure in relevantem Umfang versorgen können, steigt Rapsöl weiter im Stellenwert für die tägliche Ernährung. Welche physiologischen Zusammenhänge und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse für die neue Wertschätzung von Rapsöl ausschlag-gebend sind, lesen Sie auf den nächsten Seiten.

Neue D-A-CH Referenzwerte

Seit April 2000 gelten die neuen D-A-CH Referenzwerte, die erstmals von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zusammen mit den österreichischen und schweizerischen Fachgesellschaften gemeinsam herausgegeben wurden. Sie lösen die bisherigen nationalen Empfehlungen der DGE für die Nährstoffzufuhr ab.
Schon seit längerer Zeit zeichnet sich eine Trendwende in Sachen Fett und Fettsäuren ab. Neue Prioritäten werden bei den essenziellen mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PUFA) gesetzt.

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Mehrfach ungesättigte Fettsäuren insgesamt sollten etwa 7 % der Energieaufnahme entsprechen, höchstens jedoch 10 %. Wurde in diesem Rahmen bislang die Steigerung der Linolsäureanteile propagiert, wird jetzt auch die Zufuhr der ALA stärker betont. Und dies mit den Ziel, die richtige Balance zwischen Linolsäure (LA) und ALA zu erreichen. Nach heutigem Kenntnisstand sollte die Relation der beiden Fettsäuren 5 : 1 betragen. Zur Deckung des Bedarfs wird heute empfohlen, 2,5 % der Energie durch Linolsäure und 0,5 % durch ALA aufzunehmen. Als geeignete Speisefette im Sinne der neuen D-A-CH Referenzwerte sind insbesondere Rapsöl sowie Leinöl und Walnussöl genannt.
Die Gesamtfettzufuhr soll für den gesunden Durchschnittserwachsenen auf höchstens 30 % der Energie begrenzt bleiben. Auch für die gesättigten Fettsäuren gilt weiter die Grenze von maximal 10 % der Gesamtenergie. Im Rahmen der Gesamtfettzufuhr sollen die einfach ungesättigten Fettsäuren, z. B. die Ölsäure, den verbleibenden Anteil zwischen gesättigten und ungesättigten Fettsäuren abdecken. Damit machen sie über 10 % der Gesamtenergie aus. Nicht zuletzt wegen des günstigen Einflusses der Ölsäure hinsichtlich Herzinfarkt und Krebs bleibt damit Ölsäure mengenmäßig die wichtigste Fettsäure.
(Über die Bedeutung von Ölsäure und Rapsöl für die Ernährung haben wir in Ausgabe 1 der Rapsöl-Information berichtet.)

Fettsäuren – Die Fakten

Alpha-Linolensäure gehört ebenso wie Linolsäure zur Gruppe der mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Beide Fettsäuren sind essenziell. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren, wie sie beim Menschen vorkommen, sind nach der chemischen Struktur aliphatische Monocarbonsäuren mit einer Kettenlänge von 18 bis 22 Kohlenstoff-Atomen und 2 bis 6 Doppelbindungen. Man klassifiziert die mehrfach ungesättigten Fettsäuren in 3 Fettsäure-Familien: Omega-3-, Omega-6- und Omega-9-Fettsäuren. Üblicherweise werden diese Fettsäuren auch als n-3-, n-6- und n-9-Fettsäuren bezeichnet. Der Unterschied zwischen den Familien liegt in der Position der ersten Doppelbindung im Molekül.
Alpha-Linolensäure ist eine n-3-Fettsäure. Aus ihr werden endogen durch Einführung einer Doppelbindung (Desaturation) und Kettenverlängerung (Elongation) die höher ungesättigten, längerkettigen Vertreter der n-3-Reihe gebildet. Aus Linolsäure wird die n-6-Fettsäurereihe abgeleitet.

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Jedoch gibt es einen Engpass: die Fettsäure-Familien konkurrieren für die Reaktionsschritte um das gleiche Enzymsystem. Mit der Folge, dass die gebildete Menge an Eicosapentaensäure (EPA), Docosahexaensäure (DHA) und Arachidonsäure (AA) stark von der Konzentration der Ausgangsfettsäuren abhängt.

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren haben spezielle Funktionen

Während gesättigte Fettsäuren vorwiegend der Energiegewinnung dienen, haben ungesättigte Fettsäuren der n-3- und der n-6-Familie weitere spezielle Funktionen.
Sie spielen eine Rolle für das Arterioskleroserisiko, denn sie beeinflussen Konzentration und Zusammensetzung der Lipoproteine.
Als Strukturelemente der Phospholipide sind vor allem Arachidonsäure (AA), Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) Teil aller Zellmembranen. Das wirkt sich z. B. auf den Transport von Elektrolyten sowie hormonelle und immunologische Reaktionen an den Zellmembranen aus. DHA hat zusätzlich Bedeutung als funktioneller Bestandteil im Nervengewebe und in den Photorezeptoren der Netzhaut des Auges.

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Eicosanoide

Nicht zuletzt beruht aber die Bedeutung der n-3- und n-6-Fettsäuren auf ihrer Rolle als Vorstufen für regulatorisch wirksame Eicosanoide. Unter diesem Begriff werden Prostaglandine, Prostacycline, Thromboxane und Leukotriene subsummiert. Eicosanoide werden als Gewebshormone bezeichnet. Sie werden in verschiedenen Geweben und Zellen gebildet und wirken in sehr geringen Konzentrationen auf vielfältige Weise unmittelbar am Ort ihrer Bildung.
Sie beeinflussen u. a. die Thrombozytenaggregation, den Blutdruck, haben gefäßverengende oder -erweiternde Wirkungen und spielen bei entzündlichen Prozessen eine Rolle. Je nach ihrer Herkunft aus EPA oder AA unterscheiden sich die Eicosanoide in ihrer Wirkung deutlich. Wenn Eicosanoide, die aus AA entstehen, im Übermaß gebildet werden, können sie zur Entwicklung kardiovaskulärer, allergischer und entzündlicher Veränderungen und Störungen beitragen. Eicosanoide aus EPA haben im Gegensatz dazu eher günstige Wirkungen.
Damit spielen die Eicosanoide insgesamt eine wichtige Rolle bei der Entstehung oder Verhinderung einer Arteriosklerose. Sie verändern auch entzündliche und immunologische Abläufe.

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Alpha-Linolensäure, der neue Star unter den Fettsäuren

Alpha-Linolensäure gehört zu den n-3-Fettsäuren. Auf diese hat die Wissenschaft besonderes Augenmerk gerichtet, seit n-3-Fettsäuren, speziell EPA, in Fischöl als Garanten für die gesunden Herzen der Eskimos entdeckt wurden.
Weil sich Fischöl und fettreiche Meeresfische als EPA-Lieferanten in der Ernährung nicht durchgesetzt haben, ist das Interesse der Wissenschaft wie der Praxis an gesunden Alternativen groß.
ALA ist in doppelter Hinsicht interessant:
1. Die positiven Wirkungen, die man von EPA kennt, sind auf ALA übertragbar, weil ALA unmittelbare Vorstufe für EPA ist. Voraussetzung: die Umwandlungsrate beim Menschen muss ausreichend hoch sein.
2. ALA selbst scheint positive Effekte im Stoffwechsel auszuüben, die unabhängig sind von der Umwandlung zu EPA.
Mehrere Interventionsstudien zeigen, dass langkettige n-3-Fettsäuren, insbesondere EPA, vor Herzinfarkte schützen (Burr,1989; De Lorgeril, 1999; GISSI-investigators, 1999). Die positive Wirkung wird durch die aus EPA gebildeten Eicosanoide erklärt.
Die GISSI-Studie mit insgesamt über 11.000 Patienten nach Herzinfarkt belegt, dass die Supplementierung von EPA und DHA über 3 bis 5 Jahre die Sterblichkeit an Herzinfarkt und auch die Gesamtsterblichkeit signifikant verringert im Vergleich zu üblicher Ernährung.
Im menschlichen Organismus scheint auch die Voraussetzung erfüllt, dass ALA zu EPA umgewandelt wird. Bis zu 10 % der zugeführten essenziellen Fettsäuren werden (Demmelmair, Koletzko 1999) im menschlichen Organismus unter normalen Ernährungsbedingungen in die entsprechenden längerkettigen Derivate umgewandelt.
Es ist davon auszugehen, dass beim Menschen 6 % der aufgenommenen ALA-Menge zu EPA umgewandelt werden und 3,8 % zu DHA. Ist die Ernährung aber reich an n-6-Fettsäuren, insbesondere an Linolsäure, kann die Umwandlung von ALA zu EPA auf 40 bis 50 % gedrosselt werden (Gerster, 1998; Valsta, 1996). Der Hintergrund: für die endogene Synthese von EPA und DHA aus ALA konkurrieren diese n-3-Fettsäuren mit den Fettsäuren der n-6-Familie um ein gemeinsames Enzymsystem. Ausreichend EPA und DHA können nur dann gebildet werden, wenn nicht zuviel Linolsäure anwesend ist. Das spricht für ein Verhältnis von n-6- zu n-3-Fettsäuren von mindestens 5 : 1.
Auch Hinweise, dass ALA vor Herzinfarkt schützen kann, liegen vor.
Die Lyon-Studie konnte eindrucksvoll nachweisen, dass durch eine mediterrane Ernährung, reich an Ölsäure und ALA, die Reinfarktrate und die Gesamtmortalität bei Patienten nach einem Herzinfarkt signifikant reduziert wird. Verglichen wurde mit linolsäurereicher Ernährung. Ausschlaggebend für den positiven Effekt war dabei der hohe Anteil an Rapsöl. Das Verhältnis von LA zu ALA lag bei etwa 4 : 1 (de Lorgeril, 1999).
Weitere wichtige Beobachtungen unterstützen die Annahme der eigenständigen Wirkung von ALA. So konnte man in verschiedenen Beobachtungsstudien feststellen, dass plötzlicher Herztod umso seltener auftritt, je höher die Zufuhr von ALA ist (Ascherio, 1996; Dolecek, 1992; Hu, 1999; Pietinen, 1997).
Beobachtet wurde auch, dass sich das Risiko für Hirnschlag mit steigendem ALA-Anteil in der Nahrung reduziert. Als möglicher Wirkansatz wurde ein steigender ALA-Gehalt der Cholesterolester und Phospholipide diskutiert (Dolecek, 1992). Die Erkundung der Wirkmechanismen von ALA gegen kardiovaskuläre Erkrankungen steckt noch in den Anfängen. Es gibt verschiedene Hinweise, dass sich die Wirkung von ALA auf die Herzkranzgefäße unterscheidet von der EPA- oder DHA-Wirkung.
Als Schlussfolgerung aus diesen und anderen Studiendaten empfehlen die neuen D-A-CH Referenzwerte, die Zufuhr an ALA unter präventiven Aspekten zu erhöhen und gleichzeitig die Linolsäurezufuhr zu limitieren. In Übereinstimmung mit den Empfehlungen in Kanada und Australien sollen LA und ALA in einer Mengenrelation von bis zu 5 : 1 stehen. Tatsächlich wird unter üblichen Ernährungsgewohnheiten bisher eine Relation von 10 : 1 bis 7 : 1 erreicht.
Für die Praxis schließt sich die Frage an, wie die neuen Erkenntnisse für die tägliche Ernährungspraxis umgesetzt werden können.

Rapsöl – die neue Wertschätzung als Speiseöl

Seit einiger Zeit ist man von sehr hohen Zufuhrempfehlungen für Linolsäure abgerückt, weil sie neben den erwiesenen Vorteilen auch ein erhöhtes Risiko der Peroxidbildung bedeuten. Mit Blick auf die neuen Richtlinien sollten an ihre Stelle in der täglichen Ernährung Öle mit einem hohen Anteil an ALA treten. Unter den heimischen Ölen sind dies Raps- und Leinöl. Leinöl ist eine regionale Spezialität v. a. in Berlin und Brandenburg. Aufgrund des extrem hohen ALA-Gehaltes von 54 g/100 g Öl ist Leinöl nur sehr begrenzt haltbar und sollte nicht erhitzt werden. Rapsöl hebt sich mit einem nahezu idealen Fettsäuremuster gegen die andere ALA-reichen Fette deutlich ab, weil Rapsöl unter den üblichen Speisefetten den höchsten ALA-Gehalt hat, nämlich 9 g pro 100 g, weil das Verhältnis LA : ALA mit 2 : 1 besonders niedrig ist, weil Rapsöl einen niedrigen Gehalt an gesättigten Fettsäuren hat, nämlich nur 7 g/100 g und weil der Gehalt an einfach ungesättigten Fettsäuren, speziell Ölsäure, mit 62 g/100 g hoch ist. Die Summe dieser Vorzüge macht Rapsöl unentbehrlich für eine moderne Ernährung. Um die angestrebte minimale Zufuhr von 1,3 g ALA zu erreichen, das ist die Menge, die ein Erwachsener bei 2.400 kcal Gesamtenergiezufuhr an ALA aufnehmen sollte, genügen bereits 15 g Rapsöl. Das entspricht 1,5 Esslöffeln pro Tag. Mit Rapsöl als Bestandteil der täglichen Ernährung gelingt es, die Fettsäurezusammensetzung der Nahrung insgesamt ins Positive zu lenken. Sowohl für Salatsaucen, wie für Marinaden als auch zum Braten ist dieses heimische Speiseöl hervorragend geeignet.
So sollte es nicht wundern, wenn Rapsöl in Zukunft in jeder Küche seinen festen Platz erobert.

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