Waldbrände in Südamerika setzen Glaubwürdigkeit der Sojazertifizierung aufs Spiel

MERCOSUR-Abkommen so nicht zustimmungsfähig

Berlin, 28.8.2019 – Die öffentliche Empörung über die Bilder massiver Waldbrände ist verständlicherweise groß, denn im 21. Jahrhundert dürfte jedem Mitteleuropäer die Bedeutung der Amazonas-Region für das weltweite Klima bekannt sein. Selbst die G7-Staaten haben die Katastrophe zum Thema ihrer Beratungen gemacht. Wirklich überraschen kann die Entwicklung jedoch nicht, denn der Brasilianische Präsident Bolsonaro hatte direkt nach seiner Wahl angekündigt, große Flächen im brasilianischen Urwald für die Rodung und damit vor allem zur Gewinnung zusätzlicher landwirtschaftlicher Flächen freizugeben.

Europa sollte es nicht akzeptieren, dass sich wichtige Agrarproduzenten vom weltweiten Grundkonsens einer nachhaltigen Produktion von Nahrungsmittelrohstoffen verabschieden, der 2012 im Rahmen der Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung in Rio de Janeiro beschlossen wurde. Dazu liefert das gerade erst abgeschlossene Abkommen mit den MERCOSUR-Staaten eine hervorragende Gelegenheit. Die Bundesregierung sollte sich klar auf die Seite des Französischen Präsidenten Macron stellen, der eine Ratifizierung des Abkommens ablehnt, wenn weiter gegen die Einhaltung von Umwelt- und Nachhaltigkeitsstandards verstoßen wird. Hier ist eine unmissverständliche Haltung der Bundesregierung gefordert!

Gleichzeitig zu den Bränden in Brasilien und seinen Nachbarstaaten läuft die europaweit wichtigste Proteinquelle und Blühpflanze in getreidereichen Fruchtfolgen – der Raps – gerade Gefahr, infolge einer nicht enden wollenden und fachlich völlig unbegründeten Diskussion um die Verwendung von Nahrungsmittelrohstoffen und der Biokraftstoffproduktion aus dem Markt gedrängt zu werden. Insbesondere die EU-Biokraftstoffpolitik hat mit der Nachhaltigkeitszertifizierung weltweit gesetzlich verbindliche Mindeststandards für die landwirtschaftliche Produktion festgesetzt, die auch von und in Drittstaaten einzuhalten sind. Dieser Ansatz muss weiterentwickelt werden, macht aber nur dann Sinn, wenn die Biokraftstoffe der ersten Generation und damit auch Raps-Biodiesel weiter eingesetzt werden dürfen. Sie müssen daher fester Bestandteil der Klimaschutzstrategie der Bundesregierung für den Verkehrssektor sein. Ein Zurückdrängen der Biokraftstoffe der ersten Generation bedeutet zwangsläufig einen steigenden Importbedarf von Eiweißfuttermitten für die Veredelungsproduktion in Europa. Dies wird den Sojaanbau in Südamerika sicherlich weiter befeuern, im wahrsten Sinne des Wortes.

Auch wenn die heimischen Eiweißquellen nicht das Potenzial haben, den enormen EU-Eiweiß-Importbedarf vollständig zu ersetzen, so hat die Bundesregierung dennoch Steuerungsmöglichkeiten, wie der Importbedarf in Deutschland gesenkt werden kann.

Neben der Einbeziehung der Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse in die nationale Klimaschutzstrategie gehört dazu vor allem der sachgerechte Ausbau der Förderpolitik für heimische Proteinpflanzen. Damit kann nicht nur der heimische Anbau von Soja, sondern auch der Körnerleguminosen insgesamt als gentechnikfreie Proteinquelle weiterentwickelt werden. Insbesondere der Sojaanbau hat sich zuletzt sehr erfreulich entwickelt. Diese Entwicklung in Richtung einer vielfältigeren Fruchtfolge muss konsequent weiterverfolgt werden. Körnerleguminosen sollten daher ein essenzielles Element regionalspezifischer Fruchtfolgesysteme im Rahmen der im Herbst 2019 erwarteten Ackerbaustrategie der Bundesregierung werden.

Auch die Gemeinsame EU-Agrarpolitik wurde in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr auf den Aspekt der Bewahrung der natürlichen Produktionsgrundlagen ausgerichtet. Diese Entwicklung wird sich auch in der GAP nach 2020 bzw. nach 2022 fortsetzen, beispielsweise durch die Entwicklung von Eco-Schemes, mit denen eine vielfältige Fruchtfolge gesondert gefördert wird. Es ist Zeit, dass sich die Bundesregierung klar zu den bereits in der Vergangenheit festgelegten Grundsätzen der Nachhaltigkeit bekennt.