Gegenstand der Kritik – die IFPRI-Studie

Hypothese oder Realität?

Der Grundgedanke, dass mit dem Anbau von Ölsaaten in der Europäischen Union für die Verwendung von Biodiesel andernorts der Anbau für die Gewinnung von Pflanzenölen wiederum ausgedehnt werden muss, ist zunächst grundsätzlich naheliegend. Die entscheidende Frage ist jedoch, ob die Ergebnisse der IFPRI-Studie eine ausreichende wissenschaftliche Grundlage für die Festlegung von iLUC-Faktoren im Rahmen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (2009/28/EG) liefern können. Darüber entscheidet auch das EU-Parlament. Die EU-Kommission sieht sich dieser Kritik ausgesetzt und unterstreicht, dass iLUC-Faktoren bereits als vorbeugende Maßnahme zu rechtfertigen seien. Dieses Argument ist jedoch mit Blick auf die Konsequenzen nicht haltbar, da es grundsätzlich auf alle möglichen Gefährdungen anwendbar wäre.

In der iLUC-Debatte wurde bereits eine Vielzahl von fachlich begründeten Kritikpunkten – auch von Seiten der Wissenschaft – vorgebracht:

Unterschiedliche Marktbedeutung von Kulturarten

Die iLUC-These besagt beispielsweise, dass der Anbau von Raps in Deutschland, von dem etwa 1 Mio. Hektar der Biodieselproduktion dient, zur Ausdehnung der Anbauflächen für Soja oder Ölpalmen in Südamerika und Asien führt – auf Kosten von Urwaldgebieten. Das Problem bei der Berechnung dieses Effektes besteht einerseits darin, dass die in Frage kommenden Kulturarten wie Soja oder Ölpalmen im Hinblick auf ihre Marktbedeutung unterschiedlich zu bewerten sind. Soja wird vorrangig als Eiweißquelle für die Futtermittelproduktion angebaut, Ölpalmen dagegen insbesondere für die Nahrungsmittelverwendung, für die Oleochemie und die Kosmetikindustrie. Andererseits ist der Rohstoffanteil für die Biodieselproduktion gemessen am weltweiten Bedarf vergleichsweise gering. Nur 1,6 Prozent der weltweiten Ackerfläche von 1,53 Mrd. Hektar (FAO) werden für die Biokraftstoffproduktion (inkl. Bioethanol) genutzt. Überdies unterscheiden sich die Kulturarten bekanntlich hinsichtlich ihrer Biologie. Überdies stellt sich dann die Frage, warum iLUC-Faktoren nur bei der Berechnung von THG-Bilanzen bei Biokraftstoffen herangezogen werden. Aus umweltpolitischer Sicht wäre es absurd, wenn für die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe keine analogen THG-Anforderungen als Voraussetzung für den Marktzugang angewendet werden müssten. Dies zeigt deutlich, dass die iLUC-Debatte noch Bereiche der Bioökonomie erreichen wird, die zur Zeit mit erheblichem finanziellen Aufwand neue Produktlinien entwickeln.

Unsicherheiten von iLUC-Modellen

Die von der EU-Kommission anerkannten Defizite und Unsicherheiten von iLUC-Modellen sind von IFPRI und JRC nicht ausgeräumt worden. Das von IFPRI angewandte Modell ist nicht zur Ermittlung von iLUC geeignet. Demzufolge beruhen auch die Ergebnisse vom JRC auf einer ungeeigneten Datenbasis.

Die Berichte treffen folgende Aussagen:

  • Einer Quantifizierung von iLUC stehen grundlegende Unsicherheiten über Ausmaß und regionale Verteilung von Landnutzungsänderungen entgegen.
  • Die angewandten Modelle können nicht zwischen indirekten und direkten Landnutzungsänderungen differenzieren.
  • Die Berichte basieren auf einer hohen Anzahl von Unsicherheiten. Zudem beruhen die Berichte auf signifikanten Datenfehlern.

Schwächen der IFPRI-Studie

  • Die Studie nimmt an, dass eine höhere weltweite Agrarnachfrage zu Regenwaldzerstörung führt. Die Rodung von Waldflächen hängt aber von vielen, insbesondere politischen Faktoren ab.
  • Die EU-Nachhaltigkeitsstandards können Landnutzungsänderungen eindämmen. Das bleibt in der Studie jedoch unberücksichtigt.
  • Staatlicher Schutz für wertvolle Gebiete wie Urwälder wird nicht bewertet.
  • Es bestehen viele Unsicherheiten in den Annahmen. Die Studie weist auch darauf hin.
  • Der Futtermittelwert des Rapskuchens aus der Biodieselproduktion wird unterschätzt. Rapsschrot aus der Biodieselproduktion ersetzt in der Rinderfütterung Eiweißfuttermittel aus Soja anteilig.

Aufgrund der Unsicherheiten in der IFPRI- und in der JRC-Studie, lehnt die UFOP die Überlegung der EU-Kommission ab, globale oder nach Rohstoffbasis differenzierte iLUC-Faktoren einzuführen.

Ende des fossilen Zeitalters nur mit Biokraftstoffen

Den Zielen der Europäischen Union zufolge sollen Erneuerbare Energien, d.h. vor allem Biokraftstoffe, wegen ihrer wichtigen Rolle für Klimaschutz und Versorgung bis 2020 rund 10 Prozent des Energiebedarfs im Verkehrssektor decken. Derzeit sind es gut 4 Prozent. Die iLUC-Debatte ignoriert, dass auch das Ende des fossilen Zeitalters politischer Wille ist. Ohne einen Energiemix – zu dem zweifelsohne auch Biokraftstoffe gehören – wird dieses Ziel nicht erreicht werden können. Land- und Forstwirtschaft stellen sich den neuen Herausforderungen und möchten einen Beitrag dazu leisten.

Bestrafung europäischer Landwirte für Anbaumethoden in Übersee

Ein iLUC-Faktor würde die europäischen Landwirte, die über eine Vielzahl von nationalen und europäischen gesetzlichen Vorgaben die Nachhaltigkeit ihres Anbaus sicherstellen, für in Übersee praktizierte umweltschädliche Anbaumethoden bestrafen.

Gegenbeispiel Brasilien

In der Realität ist die iLUC-Theorie zum Beispiel in Brasilien längst widerlegt. Dort ist die Rodung von Regenwald seit 2004 um 75 % zurückgegangen, während sich die Biokraftstoffproduktion verdoppelt hat. Das ist die Folge des dort mit deutscher Unterstützung laufenden Tropenwaldschutzprogramms „Amazon Region Protected Area“ (ARPA). Ein wirksamer Schutz des Regenwaldes kann nur durch staatliche Maßnahmen vor Ort erreicht werden und nicht durch einen iLUC-Malus auf in Europa erzeugte Rohstoffe.

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